Teil 1 - Ania Angsthase hat Angst vor Ameisen.
Geschichten von Ania Angsthase und ihren Freund*innen

Mit diesen Geschichten möchten wir mehr Verständnis für die „Innenansicht“ verschiedener Leidensbilder geben und Lösungen aufzeigen.
Gleichzeitig hilft das Element Humor: Wir lachen nicht ÜBER Ania & ihre Freund*innen, sondern MIT ihnen über ihre kleineren und größeren Schwächen. Ein erster wichtiger Schritt in Richtung Lösung.
Ania Angsthase hat Angst vor Ameisen.
Sie geht zum Angsttherapeuten.
So ein Quatsch.
Natürlich hat sie keine Angst vor Ameisen. Sie mag sie nicht wirklich, aber Angst vor ihnen hat sie nicht. Vor Spinnen hat sie Angst und vor Hunden.
Deshalb hat sie sich beim Angsttherapeuten einen Termin gebucht. Vor dem Termin hat sie auch etwas Bammel. Was wird dort stattfinden? Beim Angsttherapeuten?
Es gibt ein Telefonat vor dem ersten Treffen. Der Therapeut hat eine ruhige angenehme Stimme, fragt und erklärt geduldig. Außerdem war das Gespräch kostenlos. Nichts Schlimmes passiert also.
Sie geht durch die Straßen, beobachtet sich. Als sie einen Labrador trifft, wechselt sie die Straßenseite. Sicher ist sicher.
Dort hängt eine fette Spinne mit Spinnennetz an einem Autospiegel. Unangenehm. Da es nicht ihr Auto ist, macht sie einen Bogen um Auto und Spiegel und geht weiter. Alles gut.
Übermorgen ist das Strategiegespräch per Video mit dem Therapeuten. Mal sehen, wie er aussieht. Was er sagen wird, was es kosten wird.
Hoffentlich schleppt er keinen Hund zur Therapie an. Oder eine Spinne. Sie hasst Konfrontationen.
Die Praxis soll im Erdgeschoss sein und einen kleinen Garten haben. Da können jetzt im Herbst schon mal Spinnen reinkriechen. Bäh.
‚Kopfkino, Schluss damit‘, sagt sich Ania A. ‚Ich bin eine taffe Frau, stehe mitten im Leben, habe keine schweren psychischen Erkrankungen. Keine Schizophrenie zum Glück, keine Bulimie. Manchmal einen dunklen Tag, aber keine schwere Depression.
Ich bin ein Glückskind. Ich habe lediglich diese kleine Angststörung. Das ist doch nun wirklich zu händeln.‘
Ein Spaniel.
Ania stutzt, zuckt, schwitzt.
Der Hundehalter sieht ganz vernünftig aus, dann ist es der Hund hoffentlich auch. Ein kleiner Schritt zur Seite, aber sie bleibt auf dem Fußweg. Halter und Hund sind vorbei, es ist überstanden. Ania ist komplett durchgeschwitzt. Wegen dieses kleinen Hundes. Lächerlich. Ania ist gar nicht zum Lachen zumute.
Auch das Video-Strategiegespräch geht glimpflich ab. Der Typ wirkt nicht wie ein Guru mit selbstgestrickten Socken, eher normal. Was ist schon normal?
Er benutzt Zoom und hat eine vernünftige Terminbuchungssoftware, also er kommt nicht von hinterm Mond oder so.
Der Preis ist schon nicht niedrig, aber die Vorstellung, nach gar nicht so vielen Behandlungen vielleicht nie wieder wegen eines Spaniels zu schwitzen, überzeugt sie.
Ania ist motiviert. Das ist wichtig, hat der Therapeut gesagt. Kein Coaching ohne Auftrag und eine Therapie ist keine Zauberei.
„Wenn Sie mitmachen, Frau A., dann haben wir gute Aussichten.“
Ein Heilversprechen gibt es nicht.
Ein bisschen Sorge vor dem ersten Termin in der Praxis bleibt. Und wenn er nun doch Hokuspokus macht? Oder selbstgestrickte Socken trägt?
Jetzt ist es entschieden, die Termine gemacht, der Preis besprochen, der Vertrag und umfassende Informationen sind auf dem elektronischen Postweg.
Passwortgeschützt.
Um pünktlich zu sein, schaut Ania sich vorher an, wo die Praxis ist. Ob sie ihr Auto hier gut parken kann oder wie der Weg von der U-Bahn-Station aussehen wird.
U-Bahn fährt sie nicht so gern. Viele Leute, der Geruch, die Masken: da kommt sie leicht ins Schwitzen und ihr Puls steigt. Außerdem gibt es dort überall Hunde.
Autofahren geht besser. In der City ist sie die Königin, sie wechselt beherzt die Spuren.
Fahren auf der Autobahn stresst sie völlig. Die hohen Geschwindigkeiten und die Auffahrten, die LKWs…
Ist das auch Angst?
Sollte sie dem Therapeuten davon berichten, bevor es losgeht?
Oder sich erstmal um die Hunde- und die Spinnenphobie kümmern?
Fragen über Fragen. Hoffentlich bleibt der Therapeut so geduldig.